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Elektronisches Hausieren – eine neue Form der Penetranz

Elektronisches Hausieren – eine neue Form der Penetranz

Marc Gruber  –  30.05.22

Und täglich grüsst das Murmeltier

In jüngster Vergangenheit erreicht uns – nicht wie im Titel einer einst bekannten Komödie der Gruss des bekannten Alpennagers – die täglich wiederkehrende Bittstellerei mehr oder minder seriöser Investmentfirmen. Spricht man mit Kolleginnen und Kollegen aus der Branche, so fällt auf, dass insbesondere Vermögensverwalter*innen diese Problematik bestens bekannt ist. Ein nicht zu unterschätzender Teil der täglichen Arbeitszeit wird davon in Anspruch genommen, sich dieser modernen Wegelagerei zu entziehen. Die oft verwendete Tarnung als selbstdeklarierte Anlageboutiquen soll den Hauch von Seriosität und Exklusivität versprühen. Wo früher noch der Daumen an der Türglocke wund geklingelt wurde, wird heutzutage das Gegenüber mit dem Aufpoppen neuer Nachrichten im Postfach und mitunter an Nötigung grenzenden Telefonaten aus der Fassung gebracht.

Vom Nahverkehr bis zur Rinderfarm

Einige Beispiele gefällig? Mehrfach und hartnäckig wurden wir zur finanziellen Beteiligung am Nahverkehr in den Britischen Midlands gedrängt. Ebenso wurde auf penetrante Art und Weise versucht, uns die Übernahme einer Rinderfarm in Nebraska oder eine einseitig aussichtsreiche Beteiligung an einem gambischen Solarpark schmackhaft zu machen. Da kommt uneingeschränkte Freude auf. Die Reihe absurder Beteiligungsideen ist beliebig ausführbar.

Seit der Aufhebung der Homeoffice-Pflicht nimmt dieses Phänomen deutlich an Fahrt auf. Man darf an dieser Stelle spekulieren, dass mit der geordneten Rückkehr in den normalen Büroalltag die Motivation seitens der Verkaufsmannschaft einen neuen Auftrieb geniesst. Während, bedingt durch die Pandemie, zahlreiche Wirtschaftszweige existenzielle Nöte durchlebten, erwies sich die Finanzbranche als erstaunlich resilient. Getragen von starken Kursbewegungen schnupperte manch ein Anbieter Morgenluft und versucht seither, den Herdentrieb für seine eigenen Interessen zu nutzen.

Datenschutz? Fehlanzeige

In jüngeren Tagen nannte man sich Vertreter oder salopp Aussendienstler. Heute und neudeutsch heisst es Sales Representative im Business Development. Während man sich bei der Funktionsbeschreibung gerne im hier und jetzt bewegt, schenkt man der gängigen Gesetzgebung meist weniger Beachtung. Dabei ist in der neuen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) seit Mai 2018 klar geregelt, dass keine automatisierten Vertrieb-Mailings ohne vorherige Zustimmung seitens des potenziellen Neukunden versendet werden dürfen.

Immer wieder Krypto

Insbesondere die Exponenten der Kryptobranche lassen keinen Versuch ungenutzt, das bereits lädierte Image weiter zu ramponieren. Dies zeigt sich in einem wahren undifferenzierten verkäuferischen Saubannerzug mit der immer wiederkehrenden Mär, dass Kryptoassets nicht mit Aktienanlagen korrelieren und de facto den Charakter von digitalem Gold innehaben. Die jüngste Vergangenheit widerlegte diese These auf eindrückliche und für manch einen schmerzhafte Art und Weise.

Man spricht und versteht in Basel Deutsch

Es bleibt daher auch immer wieder schleierhaft, weshalb Unternehmen, vornehmlich domiziliert in den beiden Kantonen mit Z, Anfragen für mögliche Geschäftsbeziehungen in klangvoll verfassten englischen Mails versenden müssen. Gut möglich, dass wir hier am Rheinknie einfach zu altmodisch sind oder nicht den ganzen «fancy stuff» in hippen Verkaufsseminaren eingetrichtert erhielten.

C’est le ton qui fait la musique

Jede Geschäftsbeziehung fängt mit einer persönlichen Ansprache an. Es reicht nicht, sein Angebot anonym in den ewigen Äther zu posaunen. Das wird definitiv auf taube Ohren stossen. Auch gilt es, ein Einfaches «Nein» zu akzeptieren, ohne fortan auf eine detaillierte Erklärung zu pochen – getreu dem Ausdruck, «Keine Antwort ist auch eine». Ebenso ist es ratsam, sich mit dem Gegenüber vor der Kontaktaufnahme zu beschäftigen und sich die Frage zu stellen, ob die dargebrachte Dienstleistung sowie das zu vertreibende Produkt für den potenziellen Kunden überhaupt in Frage kommt. Man dürfte also gewissermassen abschätzen, ob ein Wüstenbewohner tatsächlich Bedarf an Regenstiefeln hat.

Es geht auch anders

Um einen versöhnlichen Schluss zu finden sei erwähnt, dass es sie gibt, die guten, professionellen, angenehmen und integren Dienstleister und Produktanbieter. Wir arbeiten mit einer Vielzahl von ihnen seit Jahren erfolgreich zusammen und pflegen einen gegenseitig professionellen und freundschaftlichen Austausch. Ihre wertvollen Beiträge und geschätzten Kontakte möchten wir nicht missen. Dafür bedanken wir uns!