Value Investing – steht eine Renaissance an?
Marc Gruber – 24.03.22
Trotz den aktuell schwierigen, traurigen und rational nicht zu begreifenden Zeiten möchten wir es nicht unterlassen, unsere Leserschaft mit Einschätzungen zu ausgewählten Themen rund um die Kapitalmärkte zu versorgen. Gleichzeitig hoffen wir inständig, dass sich dieser kriegerische Konflikt baldmöglichst löst und das direkte Leid der Bevölkerung ein Ende findet.
Aktienanlagen sind keine Selbstläufer, auch wenn dies über die letzten Jahre den Anschein machte. Eine ultralockere Geldpolitik erwies sich als willkommenes Manna für die Aktienmärkte. Mit der Pandemie wirkte vor zwei Jahren ein exogenes Ereignis auf die Kapitalmärkte, welches retrospektiv schnell verdaut war und in der Folge die Aktienmärkte zu neuen Höchstständen beflügelte. Es darf dabei nicht ausser Acht gelassen werden, dass dieser Börsenhöhenflug in erster Linie durch Wachstumsaktien getragen wurde.
Unterstützt wurde dieser Trend durch die auf breiter Front voranschreitende Digitalisierung sowie den technologischen gesellschaftlichen Wandel. Steigende Inflationsraten, gepaart mit der Ankündigung seitens der US-Notenbank zur Abkehr vom Pfad der lockeren Geldpolitik hin zu schrittweisen Zinserhöhungen, können als eine Art Game Changer für die Kapitalmärkte verstanden werden. Eine Rotation in Valuetitel weg von Technologiewerten wird mit steigenden Zinsen und dem schrittweisen Entzug der grosszügigen Liquiditätsversorgung weiter an Fahrt gewinnen.
Das laufende Jahr dürfte für kapitalintensive Wachstumsaktien, im speziellen für Techtitel, zur Herausforderung werden, insbesondere, da das Gros der Techaktien stolze Bewertungen aufweist. Die Zeiten der Kapitalversorgung in Form von Kreditvergaben zum de facto Nulltarif scheinen vorerst zu Ende zu gehen. Dies treibt eine weitere Bewertungskorrektur der Wachstumstitel voran.
Seit mehr als einer Dekade enttäuschen Valueanlagen. Dieser langfristige Trend akzentuierte sich im Laufe der Pandemie weiter. Anleger, welche einen valuebasierten Anlagestil verfolgen, durchlebten die letzten Jahre ein schwieriges Umfeld. Obwohl sich unter den Substanzvaloren einige günstig bewertete Unternehmensperlen befinden, welche konstante Erträge in Form von hohen Dividenden abwarfen, richtete sich das Augenmerk der Investoren mehrheitlich auf wachstumstreibende Anlagen. Die Aussicht auf eine rasche gewinnbringende Wertentwicklung mit technologiebasierten Papieren wirkte für manch einen Substanzanleger zermürbend. Die Underperformance der Vergangenheit verlangte einiges an Glauben ab, dass auf langfristige Sicht substanzorientiertes Anlegen erwiesenermassen dominiert. Value-Investoren mussten sich in Geduld üben.
Steht nun die Trendwende an? Die Zeichen hierfür stehen nicht schlecht, und es dürfte sich lohnen, den Fokus auf Substanzwerte zu richten. Einen ersten Vorgeschmack erhielten die Investoren zum Jahresanfang in Gestalt eines kursbedingten Aderlasses bei Wachstumswerten. Zyklische Werte aus den Bereichen Finanzen, Energie und Industrie konnten sich dem Verkaufsdruck besser entziehen. Attraktive Bewertungen, deutliche Bewertungsunterschiede zu Wachstumsaktien, die laufende leicht nach hinten verschobene Konjunkturerholung, sowie die damit einhergehenden steigenden Unternehmensgewinne, stellen aus unserer Sicht einen aussichtsreichen Nährboden für Substanzwerte dar.
In Phasen einer Konjunkturerholung profitiert ein substanzdominierter Anlagestil in der Regel überdurchschnittlich. Doch wie definiert sich eine Valueaktie? Es sind dies Beteiligungspapiere, welche gemessen an klassischen Bewertungskennzahlen wie dem Kurs-Gewinn Verhältnis und dem Kurs-Buchwertverhältnis sowie einer ansprechenden Dividendenrendite günstig respektive attraktiv abschneiden. Die Betrachtung einer Aktie erfolgt nach dem Prinzip der Fundamentalanalyse. Dabei sucht der Investor Aktien von vielversprechenden Unternehmen, deren Börsenkurs unter dem inneren Wert handeln und somit eine Unterbewertung aufweisen. Vereinfacht ausgedrückt ist der Valueinvestor daran interessiert, den Franken zu 80 Rappen zu erwerben mit der Erwartung, dass der Gesamtmarkt die Fehlbewertung über einen gewissen Zeitraum korrigiert. Aktien mit Substanzcharakter lassen sich traditionell in den Sektoren Basiskonsum, Versorger, Telekommunikation, Finanzen, Energie, Immobilien, Gesundheit und Industriewerte finden.
Eine erste Entspannung in Sachen Bewertungsunterschiede zwischen Substanz- und Wachstumsaktien war im letzten Jahr zu beobachten. Trotzdem ist die Abweichung nach wie vor frappant. Die Mehrzahl der stattlich bewerteten Wachstumstitel nehmen reichlich an zukünftigem Gewinnwachstum vorweg.
Substanzstarke Aktien bilden aus unserer Sicht einen wesentlichen Bestandteil eines bedacht diversifizierten Portfolios. Wir loten hierbei im momentan Marktumfeld und unter Einbezug des aktuellen Konflikts gute Kaufgelegenheiten bei Schweizer und europäischen Valoren aus. Von einer gänzlichen Umschichtung von Wachstumsaktien in Substanzwerte raten wir jedoch ab. Insbesondere technologiebasierte Unternehmen werden in Zukunft weiterhin von strukturellen Entwicklungen und Tendenzen getragen. Disruptive und technische Innovationen finden den Ursprung meist in den Wachstumswerten, deren Auswirkungen zukünftig in den konventionellen Sektoren zum Tragen kommen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die rasche Veränderung im Bankgeschäft.
Freundliche Grüsse aus dem Kettenhof und bleiben Sie investiert!
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